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THEMA: Teezeremonie

Teezeremonie 10 Feb 2013 22:17 #55

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Man stelle sich folgenden Beitrag vor (ich bitte alle Kenner der japanischen Kultur exakt JETZT die Augen zu schließen und diesen Post zu verlassen, ich übernehme keinerlei Verantwortung für psychische Schäden :D ):

Person A und B treffen sich zufällig und beschließen spontan, zusammen Tee trinken zu gehen. Da sie aber wenig Geld haben schlägt Person A vor, eine Teezeremonie bei ihr zu Hause abzuhalten. Gesagt, getan, sie begeben sich in deren Haus in den Garten, setzen sich fröhlich redend in die Wiese und warten einen kurzen Moment, bis der Tee genug durch gezogen ist. Dann heben sie die Tasse zum Mund, pusten einmal kräftig und schlürfen diesen dann mit wenigen Unterbrechungen hinunter. Er schmeckt ja immerhin heiß am besten…

Eine Preisfrage könnte lauten „Was an dieser Beschreibung ist gar grausig falsch?“ Klingt doch eigentlich ganz nett, was hat Ichi nur wieder für Probleme… Naja, ich werde es mal dezent kursiv verdeutlichen, was nicht gestimmt hat.

Person A und B treffen sich zufällig und beschließen spontan, zusammen Tee trinken zu gehen. Da sie aber wenig Geld haben schlägt Person A vor, eine Teezeremonie bei ihr zu Hause abzuhalten. Gesagt, getan, sie begeben sich in den zum Haus dazugehörigen Garten, setzen sich fröhlich redend in die Wiese und warten einen kurzen Moment, bis der Tee genug durch gezogen ist. Dann heben sie die Tasse zum Mund, pusten einmal kräftig und schlürfen diesen dann mit wenigen Unterbrechungen hinunter. Er schmeckt ja immerhin heiß am besten…

*Sauerstoffmaske wieder abnimmt und leicht lächelt* Soooo… haben sich ja doch ein paar Ungereimtheiten eingeschlichen…

Natürlich möchte ich auch einige Erklärungen dazu abgeben, warum das Ganze ungefähr so ist.

1.) Zufällig, ist ein ziemlich relativer Begriff, immerhin reden wir hier von Japanern, den Inbegriffen von Planung, Zucht und Ordnung. Oder so ähnlich… Natürlich begegnen sich auch dort Menschen zufällig auf der Straße und quatschen, ABER sie werden sich nie einfach so entschließen, eine Teezeremonie abzuhalten. Eigentlich sollte der Name allein schon ausdrücken, dass es etwas Rituelles an sich hat und dadurch auch einiger Vorbereitungen bedarf. Ein weiterer Grund ist aber auch

2.) dass in Japan die Tätigkeit „mit jmd. Tee trinken gehen“ noch einen anderen Hintergrund hat. Es ist nicht mit dem „Kaffee-trinken gehen“ hier im Westen gleichzusetzen… denn es wird eher als „richtiges“ Date verstanden, was meist auch doppeldeutige Vorhaben nicht ausschließen lässt. Insofern : Voooorsicht, wenn man darauf angesprochen bzw. dazu eingeladen wird! (Ich glaube dieser Hintergrund stammt noch aus der Zeit, als die Prostitution verboten wurden und daraufhin die traditionellen Teehäuser immer mehr zu einer Institution wurden, in der man auch andere Dienste erwerben konnte. Natürlich wahrte man aber weiterhin den Schein, ein einfaches Tee-servierendes Lädchen zu sein, in denen harmlose Künstler auftreten… :P )

3.) Man merke ebenfalls – wenig Geld und Teezeremonien sind ein Widerspruch in sich. Viele Menschen in den unteren Gesellschaftsschichten erleben eine solche nicht einmal als Hochzeitsvorbereitung. Ich weiß jetzt kommt der Einwand „Ichi, hier sind nur relativ Reiche und Adlige – also sehr Reiche, also erzähl was uns betrifft“… okay okay…

4.) Also die wenigsten Familien haben die Möglichkeit, das ganze bei sich zu Hause abhalten zu lassen. Denn auch die Räumlichkeiten müssen diesem Zwecke angepasst werden, weshalb auf großen Grundstücken manchmal noch ein kleines Häuschen oder ein Pavillon rumsteht. Das Krasse (oder typisch japanisch gestörte) ist daran, dass es von jeder Farbe, Form etc. nur ein Teil im Zimmer geben darf. D.h. wenn irgendwo eine rote Blume in einer ründlichen Vase rumsteht, werdet ihr NIE ein weißes Bild mit einem Kreis sehen. Ergo – sehr aufwendig, sehr teuer und für den allgemein seltenen Verwendungszweck meist nicht rentabel. Aus Prestigegründen dafür aber natürlich umso mehr :D

5.) Eine Teezeremonie findet NIE, NIEMALS und unter KEINEN Umständen auf einer Wiese statt. Ihr könnt einen traditionell erzogenen Japaner foltern und er wird das Ganze nicht einem Picknick gleich abhalten…

6.) Es wird NICHT geredet,… nein auch nicht ein ganz kleines bisschen *streng nickt*

7.) Und ihr Leuts, Tee der hierbei benutzt wird, ist nicht das Übliche in Beutel gepackte und künstlich aufpolierte Zeugs, was hier in unseren Supermärkten steht. Hier also eine (wirklich, glaubt‘s mir!!) stark gekürzte Geschichte des japanischen Tees und des allgemeinen Ablaufs:
Wichtig über die Geschichte des Tees ist zu sagen, dass er schon über 2500 Jahre v. Chr. von den Chinesen „entdeckt“ und für Heilverfahren genutzt wurde. Erst im 8. Jahrhundert n. Chr. begann man in Japan Tee aus China zu importieren, allerdings tranken ihn nur Mönche in den Klöstern. Zu dieser Zeit entstand auch unter dem Staatspriester Muso Kokushi die erste Form der Teezeremonie, welche noch einen stark religiösen Hintergrund hatte. Bis zum 15. Jahrhundert hatte sich das Tee-Trinken über die Samurai-Schicht bis hin zu den einfacheren Bürgern durchgerungen, wobei es natürlich Unterschiede in der Qualität des Tees und der Art der Zeremonien gab. Unter den großen Feldherren Oda Nobunaga und Toyotomi Hideyoshi erlang der Tee solche Popularität, dass man „Teegelage“ veranstaltete, an dem die Menschen aller Gesellschaftsschichten teilnehmen konnten und man schenkte seinen treuesten und besten Vasallen meist Teegeräte oder –geschirr. Schließlich beschloss man in der Meiji-Zeit (18. Jh.) dass die Teezeremonie die Gesellschaft und die soziale Struktur Japans wieder geben solle und man gründete drei Senke-Schulen, welche die Teezeremonie als Weg lehrten (etwa in dieser Zeit etablierte sich Ikebana als Blumen-Weg, Shodo als Kalligraphie-weg, Kendo als Weg des Schwertes, Kyudo als Weg des Bogenschießen usw.) Ihr seht also, dass der Tee bzw. der Genuss davon auch sehr viel mit der Vergangenheit Japans zu tun hat.

8.) Durch Punkt 6 selbsterklärend  man schüttet den Tee NICHT mehr um oder gießt ihn ab, sondern man trinkt aus der Schale und gibt diese auch weiter, falls man nicht allein an der Teezeremonie teilgenommen hat.

9.) Man genießt diese Momente (manche vielleicht auch deshalb, weil sie wissen dass es bald vorbei ist :D ) und kostet jeden Schluck des Tees. Man sagt nicht umsonst, dass die Teezeremonie eine Form der Meditation sein kann.

10.) Man schlürft ihn bestenfalls genüsslich, aber man schlingt es nicht herunter, wir reden immerhin nicht von einem Besuch im Nudelsuppenrestaurant (macht das mal, es ist köstlich, ich hab mich kaputt gelacht, weil es so schwer fällt bewusst gegen westliche Tischordnungen zu verstoßen.)



Und nun noch der richtige Ablauf (ich weiß ich quäle Euch, aber das muss sein, wenn ihr das hier jemals machen wollt ^^):

Grundsätzlich kann man den Ablauf in eine Vor- und Nachbereitungsphase teilen. Die Gäste werden begrüßt und nehmen dann im Warteraum Platz (meist ist das ein offener Pavillon). Gleichzeitig füllt der Gastgeber oder die Tee-Meisterin ein steinernes Wasserbassin mit frischem Wasser. Nach den Vorbereitungen und nachdem sich alle Teilnehmer den Mund und die Hände gewaschen haben, begeben sie sich auf einem schmalen Gartenpfad in Richtung Teehaus. Der Eingang des Teehauses ist nur knapp einen Meter hoch, der Sinn dahinter ist, dass die Gäste das Teehaus mit dem gebührenden Respekt betreten. Als Einstieg werden meist leichte Speisen und Sake gereicht ( ^^ Lecker lecker… *hicks*).

Zu Beginn der Zeremonie wird die Schale gereinigt und der Teebesen geschmeidig gemacht. Anschließend wird mit dem Bambuslöffel das feine Teepulver aus der Dose in die Teeschale gegeben und mit etwas heißem Wasser übergossen. Das wichtigste am Ganzen ist die Art, in der die Meisterin den Aufguss rührt und aufschäumt. (Es bedarf jahrelanger Ausbildung und insgesamt 13 Stufen, bis man sich Tee-Sensei schimpfen darf.) Der „Schaum der grünen Jade“, wie der Teeschaum auch genannt wird, soll die Seele des Trinkenden stärken und so wird der Tee zuerst dem Ehrengast gereicht. (dieser muss sich dann übrigens bei den Anderen dafür entschuldigen, dass er die Teeschale zuerst angenommen hat… Japaner, echt…*kopf schüttel*) Traditionell wird die Schale dreimal in der Hand gedreht und bewundert, danach schlürft man drei kleine Schlucke und säubert den Rand mit einer Serviette, ehe diese an den nächsten Gast gereicht wird. Auf diese Art und Weise bekommt jeder der Gäste ein wenig Tee gereicht. Im Anschluss halten die Gäste meist etwas Smalltalk, ehe die Runde ausgelöst wird und die Teezeremonie beendet ist.

Last but not least ist vielleicht noch allgemein zu erwähnen, dass es mittlerweile von Geisha-Vereinigungen Crashkurse für junge Mädchen gibt, in denen sie u. A. eine Kurzversion der Teezeremonie erlernen. Es wird angestrebt, dass die angehenden Bräute sich gut in der japanischen Kultur auskennen, so dass diese Kurse sehr populär geworden sind. Und was auch noch seeehr nennenswert ist: Eine komplette Teezeremonie dauert zwischen 1 (siehe Kurzversion in den Crashkursen) - 5 Stunden (die traditionelle Version…), in denen ausschließlich gekniet wird. ^^
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